Gerechtigkeitsbrunnen
Wasserversorgung der Stadt Bern
Allgemeines
Die Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Brauchwasser, das Ableiten von verdrecktem Wasser sowie die Nutzung der Wasserkraft waren für die Stadt Bern von Anfang an überlebenswichtig, auch Löschwasser musste möglichst immer verfügbar sein.Entsprechend der strategischen Bedeutung, wurde auch viel Wert auf die Erschliessung neuer sowie die Verteidigung/den Unterhalt bestehender Wasserkanäle gesetzt. Das Trinkwasser wurde ursprünglich aus Quellbrunnen geschöpft und floss später aus den Stockbrunnen – damals lag der tägliche Bedarf an Trinkwasser pro Person bei rund vier bis sechs Litern (Zahlen zum aktuellen Trinkwasserverbrauch in der Schweiz erhebt das Bundesamt für Umwelt BAFU). Es wurde zusätzlich noch Brauchwasser (für Haushalt, Tierhaltung) benötigt, das aus dem Stadtbach geschöpft werden konnte. Die Industrie nutzte die Kraft der Aare, weshalb sie sich im Mattenquartier ansiedelte.
Bis zur Neuzeit waren Brunnen wichtige soziale Treffpunkte, wo Neuigkeiten, Klatsch und Tratsch ausgetauscht und offizielle Mitteilungen angeschlagen wurden. In der Zeit von 1868 bis 1904 wurden in der Stadt Bern Hochdruckleitungen verlegt, jedes Haus erhielt seinen eigenen Wasseranschluss. Die Brunnen wurden damit zu “nutzlosen Schmuckstücken”, mit Verbreitung der Fotografie aber auch zu beliebten Postkarten- und Fotosujets. Es gibt neuerdings auch wieder Bestreben, Brunnen wieder zu Treffpunkten zu machen, wie beispielsweise:
- BrunneZytig: “Früher erfuhren die Altstadtbewohnerinnen und ‑bewohner alle Neuigkeiten aus der Gasse, wenn sie ihr Wasser an den plätschernden Brunnen holten. Heute sorgt die ‘BrunneZytig’ dafür, dass die News aus der Unteren Altstadt nicht unbemerkt versickern. Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten (VAL) (…)”
- Während der Anlässe “Le Neuveville nouveau” fliesst Weisswein des Rebguts der Stadt Bern statt Wasser aus dem Berner Mosesbrunnen
- Brunnenbaden in Basel (Sommer)
- Brunnen gehn (Winter)
- Heisse Brunnen in Ennetbaden
Der Stadtbach
Der Stadtbach wurde im Jahr 1249 erstmals urkundlich erwähnt. Ein entsprechender Kanal von der Quelle im Wangental via Weyermannshaus/Güterbahnhof ist bereits für zwei vorhergehende Generationen bekannt. Wahrscheinlich ist, dass ein stadtbachähnlicher Graben bereits seit der Gründung der Stadt (oder kurz danach) existierte.
Die beiden Stadtgräben wurden mit hölzernen Aquädukten überwunden. Von dieser Hauptader aus verzweigte sich der Stadtbach in alle Längsgassen der wachsenden Siedlung. Der genaue mittelalterliche Verlauf ist aber nicht vollständig geklärt.
Die grosse Bedeutung des Stadtgrabens spiegelt sich in den “Wassererlassen” wieder . Die Wasserverwaltung wurde durch den Bachmeister (assistiert durch den Vennerweibel und andere Weibel) sichergestellt.
Die Ehgräben
Parallel zum Stadtbach bestanden so genannte Ehgräben (Abwasserkanäle), die zusammen mit dem Stadtbach in die Aare geleitet wurden.
Die Stadtbrunnen
Allgemeines
In Bern gibt es heute weit über 100 öffentliche Brunnen, aktuelle Übersichten finden sich hier:
- Karte (OpenStreetMap) der Brunnen in der Stadt/der Gemeinde Bern: https://umap.osm.ch/de/map/brunnen-in-stadt-und-gemeinde-bern_124
- Wikipedia-Seite “Brunnen in Bern”: https://de.wikipedia.org/wiki/Brunnen_in_Bern
Fotos einiger Berner Brunnen:
Quellbrunnen
Für das Ende des 14. Jahrhunderts sind fünf (öffentliche und private) Quell-/Sodbrunnen belegt (Justinger-Chronik). Heute sprudelt nur noch aus dem Stettbrunnen Wasser. Der mittlerweile trockene Lenbrunnen kann aber ebenfalls besichtigt werden und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Hölzerne Stockbrunnen
Nach einem sehr heissen Sommer im Jahr 1393 wurde erkannt, dass die bisherige Wasserversorgung nicht ausreichte. Hierauf wurden hölzerne Stockbrunnen (Brunnenstöcke und ‑tröge aus Holz) errichtet (vgl. Berner-Chronik des Conrad Justinger aus dem Jahr 1484, Nr. 289). Die wahrscheinlich 21 Brunnen waren mit bunt bemalten Fähnlein geschmückt.
Das Wasser wurde mit Teucheln (hölzerne Röhren, der Länge nach durchbohrte Holzstämme), die zu Druckleitungen zusammengefügt wurden hergeleitet. Damit zwischen den Stämmen kein Wasser verloren gehen konnte, mussten die Verbindungen mit abgedichteten Holzkästen oder Muffen aus Eisen, Blei, Kupfer oder Leder, ausgeführt werden.
Die Quelle lag wahrscheinlich im Bächtelengut bei Wabern, am Fuss des Gurtens.
Steinerne Stockbrunnen
Um 1520 wurde damit begonnen, die hölzernen Brunnen durch steinerne zu ersetzen. Die Brunnen, für welche Bern bekannt ist, wurden vorwiegend in den 1540er-Jahren gebaut.
Durch die Errichtung eines mechanischen Pumpwerks gelang es 1585, die Küngsbrunnenquelle für die Stadt Bern zu nutzen.
Bis ungefähr 1740 standen alleine in der Hauptgasse steinerne Brunnen. Die Nebengassen erhielten erst welche, nachdem in dieser Zeit Wasser von Köniz her in die Stadt geleitet worden war. Ein grosser Antrieb zur Erstellung der prunkvollen Brunnen war wohl einerseits der “Präsentationsdrang” eines mittlerweile mächtigen Stadtstaats, aber wohl auch der bestehende Wettstreit mit der Zährigerstadt Freiburg, in der Hans Gieng ebenfalls tätig war.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die meisten historischen Brunnen versetzt, da sie dem immer stärker aufkommenden Verkehr im Weg standen. Als ab 1868 Druckleitungen eingeführt wurden, die das Trinkwasser in die Häuser beförderten, verloren die Brunnen ihre ursprüngliche Funktion. Es wurde nun sogar ein Abbruch der “Verkehrshindernisse” diskutiert.
Gerechtigkeitsbrunnen in Bern
Allgemeines
Der Gerechtigkeitsbrunnen befindet sich an seinem ursprünglichen Standort auf der Höhe der Gerechtigkeitsgasse 39 (während relativ kurzer Zeit, nämlich von 1646 bis 1664, befand er sich auf der Höhe der Gerechtigkeitsgasse 75).
Die Gesamthöhe der Anlage beträgt 6.25 Meter – der Gerechtigkeitsbrunnen ist aufgrund der hohen Säule der höchste Figurenbrunnen aus dieser Zeit. Eine leicht unterlebensgrosse Justitiafigur steht auf einem gefurchten Bodenplatte über dem Kapitell.
Das Kapitell besteht aus einem starken Ringschaft, einem unten halboval eingetieften Akanthusfries, einem Volutenkranz mit vier männliche Masken mit Buckelstirn und Hängebärten in den Plattenecken.
Der Säulenschaft ist 16fach kanneliert. Der obere Teil ist verziert mit einem Blattgehänge in Form eines doppelten Festons. Bis etwas unterhalb der Mitte sind in den tiefen Kannelüren Rundstäbe abgesetzt.
Das quadratische Postament weist eine stark ausladende, profilierte Deckplatte auf. Das Wasser fliesst aus zwei Bronzeröhren (mit Bronzemasken beim Ansatz), die im so genannten Delphintypus des frühen 18. Jahrhunderts gearbeitet sind.
Der figürliche Teil des Brunnens ruht in einem achteckigen Becken. Daneben bestehen noch zwei Nebentröge.
Weitere Brunnen befinden sich teilweise auf dem heutigen oder ehemaligen Staatsgebiet Berns (Eroberung des Aargaus bis nach Brugg 1415, Eroberung und Reformierung der Waadt 1536) oder verbündeter Gebiete (Neuenburg: während der Reformation übte Berne hier offenbar eine Art schiedsrichterlicher Gewalt aus). Von den heute noch bestehenden Brunnen wurden manche dem Berner Gerechtigkeitsbrunnen unmittelbar nachgebildet: Solothurn, Moudon, Lausanne, Boudry, Cudrefin, Cully und Neuenburg. Mittelbare Nachbildungen finden sich in Aarau, Biel, Burgdorf und Brugg. Nicht alle Brunnen lassen sich jedoch auf den Berner Brunnen zurückführen: Winterthur.
Hans Gieng
Zehn der zwischen 1542 und 1548 erstellten Figurenbrunnen werden heute Hans Gieng (unter anderen der Gerechtigkeitsbrunnen) oder seiner Werkstatt zugeschrieben, wobei aus dieser Zeit leider keine Dokumente bestehen, welche dies eindeutig belegen würden.
Hergeleitet wird dies häufig aus einem stilistischen Vergleich mit den gut dokumentierten Freiburger Brunnen, der Inschrift “HG” am Kindlifresserbrunnen, der Erwähnung, dass “Meyster Hans, Bildhower, im Spital z’ Herbrig sin an des Spielmeisters Tisch ässen” (offenbar eine Notiz im Ratsmanual vom 30. März 1543) und der Nähe zwischen Fribourg und Bern. Für eine solche Zuschreibung hat sich insbesondere Paul Hofer (Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 28, Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, S. 225 ff. und 314 ff.) ausgesprochen. Etwas kritischer diesbezüglich sind die Ausführungen von Marcel Strub (Deux maîtres de la sculpture suisse du XVIe siècle : Hans Geiler et Hans Gieng, S. 85–95).
Einig ist sich die Literatur zwischenzeitlich, dass der Gerechtigkeitsbrunnen nicht Niklaus Manuel zuzuschreiben ist, ebenfalls dass es sich bei Hans Gieng nicht um Hans Geiler handelt.
Der Freiburger Bildhauer Hans Gieng wirkte vor allem in der Stadt Freiburg i. Ü. Auch in Solothurn und Bern baute er Brunnen. In der Zeit von 1540 bis 1546 wirkte er wahrscheinlich in Bern, ab 1544 in Bern und Freiburg gleichzeitig. Um 1543 fertigte er die Justitia des Gerechtigkeitsbrunnens in Jurakalkstein an. Verstorben ist Hans Gieng im Jahr 1562. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hans Geiler hat Hans Gieng wohl nie das Stadtrecht erhalten.
Weitere Brunnenfiguren von Hans Gieng (in Freiburg i. Ü.):
Justitia
Geschichtliches
[ Text betreffend Römer/Griechen, Neuzeit, Scheibenrisse folgt ]- Rathaus Basel: Wie die Maria zur Justitia wurde
- Die beiden Justitia-Statuen des Südwalser Baumeisters und Bildhauers Daniel Heintz I.
Die Berner Justitia ist in einer Zeit des Übergangs von mittelalterlicher Tugenddarstellung hin zur republikanischen Staatsallegorie der Neuzeit entstanden.
Mit verbundenen Augen, in der rechten Hand das erhobene Schwert, in der linken die Waage, blickt die bernische Justitia stadtaufwärts. Die Figur ist in einem “zeitlosen” Renaissance-Stil gehalten.
Die Füsse in Sandalen geschnürt, das Gewand anliegend (einzig in der Körpermitte bilden sich lebhafte Falten), das rechte Knie unbedeckt. Sie trägt einen Zierpanzer mit Arabeskenschmuck in Flachrelief. Die Achselstücke sind in Gestalt von Löwenköpfen ausgebildet. Die Augen sind verbunden mit einer Binde, welche hinter dem Kopf mit einer Schleife verknotet wurde. Die rosettenförmigen Ohrenschilde waren in dieser Zeit offenbar Mode (ob damit auch ausgesagt werden sollte, dass nicht bloss nach dem Augenschein bzw. nicht nur nach dem Hörensagen entschieden werden soll, in Anlehnung an die Stelle im Aten Testament [Jesaja 11, 3], ist ungeklärt).
Schwert
Das Schwert der Justitia ist unter anderem ein Symbol der ausschliesslichen Gerichtsbarkeit und somit auch ein Zeichen dafür, dass Selbsthilfe des Einzelnen verboten ist (Friedenspflicht).
Weiter symolisiert das Schwert die Durchsetzung der Rechtsordnung, der Sühnung begangenen Unrechts. In der linken Hand hält die Berner Justitia eine Balkenwaage. Sie ist Symbol für das richterliche Abwägen der Schuld und der zu verhängenden Strafe aber auch für die Wiederherstellung des durch ein Delikt gestörten gesellschaftlichen Gleichgewichts.
Waage
[ Text folgt ]
Augenbinde
Während in früheren Zeiten die Justitia keine Augenbinde trug, kam die Darstellung mit Augenbinde einige Jahre vor dem Bau des Berner Gerechtigkeitsbrunnens “in Mode”. Während die göttliche Justitia keine Augenbinde benötigt und deshalb auch nie so dargestellt wird, soll die Augenbinde der weltlichen Justitia wohl symbolisieren, dass vor dem Gericht alle gleich behandelt werden (sollen), unbesehen von ihrer Herkunft (Symbol für Unparteilichkeit und Entscheidungen ohne Ansehen der Person). Eine andere, negative Deutung geht davon aus, dass die Augenbinde die urteilende Justiz vor äusseren, ablenkenden Einflüssen schützen solle. Die Augenbinde wurde zuweilen aber auch als negatives Attribut verwendet, beispielsweise in Karrikaturen, in welchen eine “blind” (und damit willkürlich) urteilende Justiz be- bzw. gezeichnet werden sollte.
Basisfiguren
Die Figuren zu Füssen der Justitia haben alle die Augen geschlossen. Während der Justitia die Augen durch eine Binde verbunden sind, verschliessen die weltlichen Figuren selber die Augen. Eine frühe Interpretation geht davon aus, dass es sich bei den vier Personen um Kaiser, Papst, Sultan und Schultheiss handelt, als Repräsentanten der Staatsformen Monarchie, Theokratie, Autokratie und Republik. Eine neuere Interpretation geht davon aus, dass es sich um Kaiser, Papst, Sultan (?) und (den französischen) König handelt. Der Papst trägt die Tiara und das Bischofskreuz, der Sultan einen turbanartig umwundenen Spitzhut und eine Sarazenenklinge, der Kaiser eine Krone und das Reichsschwert, der Schultheiss (oder ein König /der französische König?) Barett und die goldene Amtskette.
Es tauchen teilweise auch abweichende Interpretationen auf, nämlich, dass die vier Figuren “den Kaiser, den Papst, den Edelmann und den Juden” darstellen sollen (so SCHUBERT, Die Brunnen in der Schweiz, Frauenfeld 1885, S. 50 und MEINTEL, Schweizer Brunnen, Frauenfeld / Leipzig 1931, S. je zum Gerechtigkeitsbrunnen in Solothurn), wobei diese Interpretation weder näher hergeleitet noch nachvollzogen werden kann.
Büstenfiguren haben auch die Gerechtigkeitsbrunnen in Boudry, Lausanne, Moudon, Neuenburg und Solothurn.
Säule und Kapitell
[ Text folgt ]
Postament und Auslaufrohr mit Maske
[ Text folgt ]Das Postament (Säulensockel, aus St. Triphon-Stein) wurde 1949 ersetzt und die Steigleitung erneuert. Aus zwei Bronzemasken im so genannten Delphintypus des früheren 18. Jahrhunderts gehen die beiden Brunnenröhren hervor.
Trog
Das Achteckbecken aus Kalkstein des Berner Gerechtigkeitsbrunnens trug bis 1845 die Datumsangabe der Erstellung MDXXXXIII (1543). Danach das Datum der Renovation (durchgeführt von Steinhauer Bargetzi aus Solothurn) MDCCCXLV (1845), an der Südseite, heute kaum mehr lesbar. Die acht schmucklosen Platten sind oben durch einen kräftigen Eisenreif mit Eckscharnieren verbunden. Oberhalb (westlich) des Brunnens befindet sich ein querovaler, unterhalb (östlich) ein querstehender rechteckiger Nebentrog (Sudeltrog).
Die Tröge der anderen Schweizer Gerechtigkeitsbrunnen weisen folgende Formen auf:
- regelmässiges Achteck (wie der Berner Gerechtigkeitsbrunnen): Biel, Boudry, Brugg, Burgdorf, Cully, Neuenburg und Winterthur
- langgestrecktes Achteck: Cudrefin und Moudon
- regelmässiges Zwölfeck: Lausanne
- regelmässiges Sechseck: Aarau
- verschliffene Kreuzgrundform: Solothurn (der ursprüngliche, regelmässig achteckige Brunnentrog aus dem Jahr 1589 ist heute Teil des Klosterplatzbrunnens)
Auch die Anzahl der Nebentröge sind unterschiedlich:
- zwei Nebentröge (wie der Berner Gerechtigkeitsbrunnen): keine
- ein Nebentrog: Biel, Boudry, Burgdorf, Cudrefin, Cully und Solothurn
- kein Nebentrog: Aarau, Brugg, Lausanne, Moudon, Neuenburg und Winterthur
Zerstörung der Figur
Als Symbol der bernischen Staatsgewalt war die Berner Brunnenfigur mehrmals Ziel symbolischer Aktionen, beispielsweise, als die französischen Truppen bei ihrem Einmarsch Schwert und Waagschale entfernten. Mit der bernischen Justitia hatte sich aber auch die Justiz zu befassen. Die Brunnenfigur, die heute in der Gerechtigkeitsgasse steht, ist nämlich nicht mehr die Originalfigur aus dem 16. Jahrhundert.
Das Original wurde in der Nacht auf den 13. Oktober 1986 von seinem Sockel gerissen. Das Bundesgericht bezeichnete in BGE 117 IV 437 ff. diese – politisch motivierte (vgl. BGE 118 IV 371 ff.) – Sachbeschädigung als “skrupellosen Vandalenakt”. Es stufte den Brunnen ein als “Denkmal mit grossem symbolischem Wert, (…) ein einmaliges, historisch äusserst wertvolles Kunstwerk” ein.
Am 23. Oktober 1988 wurde die Kopie enthüllt, welche seither auf der Brunnensäule steht. Die Teile des Originals wurden soweit möglich wiederhergestellt (und wo notwendig ergänzt). Dieses “Original“steht nun im Historischen Museum in Bern (BHM). Da die genauen Angaben der ursprünglichen Bemalung nicht bekannt sind, ist die Figur im Muesum unbemalt geblieben. Bis zur Zerstörung der Justitia war der Gerechtigkeitsbrunnen der einzige Figurenbrunnen der Stadt Bern, dessen Standort und Gestalt zur Errichtungszeit im wesentlichen noch entsprach.
Wiederherstellung
Nach der Zerstörung wurde die Brunnenfigur restauriert und wird seither im Bernischen Historischen Museum (BHM) aufbewahrt und ausgestellt:
Weitere Veränderungen
Der Gerechtigkeitsbrunnen ist nicht mehr derselbe wie im 16. Jahrhundert. Es wurden an ihm im Laufe der Zeit folgende Veränderungen vorgenommen:
- 1584 und 1589: Instandstellung und Neubemalung durch Humbert Mareschet
- 1668/69: weitere Renovation (insbesondere des Steinwerks) durch Joseph Wernter und Bemalung durch Joseph Werner d. Ä.
- 1687/88: Erneuerung der Metallausrüstung
- 1714/15: Neuanstrich
- 1758: neue Kupferröhren
- 1741: neuer Sudeltrog (Geissbergstein)
- 1798: Entfernung des Richtschwerts und der Waage durch die französischen Besetzer als Symbol des Untergangs des Alten Berns. Die beiden Attribute werden erst viel später wieder ersetzt.
- 1845: Versetzung des Brunnens wegen der neuen Zufahrt über die Nydeggbrücke. Für eine kurze Zeit wird der Brunnen im Stall des Erlacherhofes eingelagert, danach wieder am ursprünglichen Ort errichtet. Willhelm König übermalt den Brunnen weiss und gold. Aufgrund der heftigen Proteste aus der Bevölkerung wird die polychrome Bemalung aber rasch wieder hergestellt. Es folgte eine Bemalung in schwachgetönten Farben.
- 1890/91: Neubemalung durch Christian Bühler.
- 1925: Neubemalung durch Ernst Linck, wieder mit kräftigen Farben / mit lebhaft akzentierenden Kontrasten, wie dies wahrscheinlich ursprünglich der Fall war
- 1936–1939: Neubemalung durch Victor Surbek.
- 1949: Erneuerung der Steigleitung und des Sockels.
- 1961: Restaurierung durch Hans A. Fischer
- 1971: Neubemalung Säule
- 1986: Zerstörung der Justitiafigur (vgl. oben). Eine Kopie wird auf den Sockel in der Gerechtigkeitsgasse gesetzt, das Original wird 1988 dem Historischen Museum übergeben.
- 2004/2005: Gesamtsanierung der Kram- und Gerechtigkeitsgasse. Die Brunnenfiguren werden in dieser Zeit ausgebessert.
Zustand der Brunnenfigur im Herbst/Winter 2004:
Zustand des Brunnens im Herbst 2005:
- 16. bis 24. Oktober 2006: Wiederherstellung der rechten Hand und des Schwerts, die am 28. Juni 2006 beschädigt wurden (am 28. Juni 2006, rund 20 Jahre nach der Zerstörung der Justitiastatue).
Zustand der Brunnenfigur am 16. Oktober 2006 - Juli 2018: Restaurierungsarbeiten (neue Farbe der Brunnenfigur, Nachölen der Säule)
Andere Gerechtigkeitsbrunnen in der Schweiz
Neben dem Berner Gerechtigkeitsbrunnen gibt es noch weitere Gerechtigkeitsbtrunnen in der Schweiz (alphabetisch, nach Orten):
Aarau
Der ursprüngliche Marktbrunnen an der Kreuzung Rathausgasse/Kronengasse trug die Figur eines geharnischten Kriegers, welche herabstürzte. Die Figur des Gerechtigkeitsbrunnens in Aarau aus dem Jahr 1643, nach dem Berner Vorbild, stammt von Heinz Henz. Der Brunnen wurde 1905 entfernt und im Jahr 1924 am neuen Standort auf dem Kirchenplatz neu aufgestellt (Rekonstruktion von Trog und Säule, Kopie der Figur). Die originale Justitia-Statue kann im Stadtmuseum Aarau besichtigt werden.
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Biel
Der erste Brunnen stammt von 1535 (ein Jahr, nachdem das Rathaus fertiggestellt wurde). Die ursprüngliche Brunnenfigur des Bildhauers Johannes Hesch(e) wurde 1714 durch jene von Jean Boyer ersetzt (Neubemalungen 1758 und 1776). Neuer Brunnentrog von Joseph Menth (1846), Ergänzung mit einer Nebentrog 1848. Renovationen 1868, 1899 1929, 1935, 1958, 1980 und 1999.
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Boudry
Die Fontaine de la Justice ist eine der Sehenswürdigkeiten (nebst einem wirklich pittoresken historischen Zentrum, dem Schloss, mit Weinbau- und Weinmuseum, dem Musée de l’Areuse, Auflugsmöglichkeiten in die Schlucht der Areuse und vielem mehr) und stammt aus dem Jahr 1610 (Datum auf der Säule – die Justitifigur ist allenfalls sogar älter), von einem unbekannten Künstler. Vorbild dieses Brunnens war jener in Neuenburg, dessen Vorbild wiederum der Gerechtigkeitsbrunnen in Bern war. Die Gesichtszüge sind hier aber etwas gröber und die Falten in der Kleidung weniger naturgetreu ausgefallen als bei den Vorbildern.
Das Becken von 1761 wurde 1795 ersetzt (und in diesem Jahr auch die Säule farbbig gestaltet). 1835 folgte die Versetzung des Brunnens von seinem ursprünglichen Platz vor dem Rathaus hin zu seinem aktuellen Standort vor der Kirche. Ein zusätzliches, kleineres Becken, wurde dem Brunnen 1847 hinzugefügt. Weitere Restaurationen: 1767, 1958, 1978/1979, 1997–1999 und 2018. Das Original befindet sich seit der Anfertigung der Statuenkopie in den 1990er-Jahren im Laténium – Parc et musée d’archéologie.
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Brugg
Der Rathausbrunnen wurde ursprünglich aus den Jahren 1557–1563 errichtet, die Justiafigur des Rathaus-Brunnens aus dem Jahr 1928 stammt von Eduard Spörri.
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Burgdorf
Den so genannte Rindermäritbrunnen aus dem Jahr 1541 wurde, nun Kronenbrunnen genannt, im Jahr 1612 neu errichtet. Die damalige Brunnenfigur eines unbekannten Bildhauers, stammte aus Bern. Im Jahr 1757 schuf Urs Joseph Füeg eine neue Figur (mit unverbundenen Augen). Aufgrund des problematischen Materials zerfiel der Brunnen bereits nach kurzer Zeit. 1908 ersetzte die neue Figur (keine Kopie) von Ferdinand Riedel die bisherige.
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Cudrefin
Die Brunnenfigur in Cudrefin von 1605 stammt von Benoît Magnin aus Cerlier am Bielersee. Im Jahr 1672 wurde ihr Arm beschädigt, 1732/33 wurde die Statue neu bemalt und das Schwert ausgewechselt. Der heutige Brunnentrog stammt von 1864, die Jahreszahl 1866 an der Säule von einer undokumentierten Restauration. Die letzte Renovation führte Marc Stähliaus Auvernier (NE) 1991/92 durch. Die Brunnenfigur von Cudrefin weist nicht mehr die “Robustheit” der Berner Justitia auf sondern bereits Elemente des Manierismus, an der Schwelle zum Barock. Auf dem Brunnen steht aktuell noch die originale Figur und nicht, wie bei anderen Gerechtigkeitsbrunnen, eine Kopie.
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Cully
Die Justitiafigur auf der Fontaine de la Justice in Cully ist eine Frauenfigur, welche (insbesondere verglichen mit den anderen Justitiafiguren der Schweizer Gerechtigkeitsbrunnen) recht lebensecht aussieht. Ausserdem trägt sie keine Augenbinde, so wie auch die Justitia in Winterthur und die – nicht mehr auf einem Brunnen stehenden – Justitiafiguren von Liestal, Morges und Zofingen, auch die verloren gegangene Vorgängerfigur des Burgdorfer Brunnens hatte keine Augenbinde. Im Weiteren fehlen bei der Justitia in Cully die Basisfiguren (Papst, Sultan, Kaiser, König), welche bei der Fontaine de la Justice in Lausanne vorhanden sind.
Der heutige Brunnentrog trägt die Jahreszahl 1643, die Brunnenfigur stammt aus dem Jahr 1645, wahrscheinlich von Paul Hortin und einem weiteren, unbekannten Künstler in Thonon/Frankreich. Wahrscheinlich handelte es sich dabei noch nicht um eine Justitiafigur sondern wohl um eine männliche Figur (auch eine Löwenfigur stand offenbar zur Auswahl, es ist aber unwahrscheinlich, dass eine solche den Brunnen krönte). Neue Figur von Reymond Aguet 1718 (heute steht eine Kopie auf der Brunnensäule). Restaurierungen, Änderungen und Ausbesserungen fanden in folgenden Jahren statt: 1677, 1687, 1699, 1718, 1725, 1735, 1754, 1762, 1770, 1856, 1934, 1969 und 2008. Die Brunnenröhren im Renaissance-Stil wurden 1856 ersetzt. Seit 1969 ist der Brunnen auch wieder farbig bemalt.
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Lausanne
Die Brunnenfigur in Lausanne (1584–1585, von Laurent Perroud und seinem Sohn Jacques Perroud) steht auf einer Säulenkopie aus dem Jahr 1930, in einem zwölfeckigen Trog aus dem Jahr 1726. Die originale Justitiafigur befindet sich im Musée Historique Lausanne (L’Ancien Evêché).
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Moudon
Die Brunnenfigur der Fontaine du Coude ou de la Grand-Rue aus dem Jahr 1559 (restauriert 1993) stammt ebenfalls von Laurent Perroud, der heutige Brunnen wurde 1872 erricht.
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Neuenburg
Die originale Brunnenfigur (1545–1547, von Laurent Perroud) wurde nach dem Vorbild der Berner Justitia erstellt und im Jahr 1991 durch einen Kran beschädigt. Im Jahr 1997 wurde sie durch eine Kopie ersetzt, das Original befindet sich seither im Museum für Kunst und Geschichte Neuenburg (MahN).
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Solothurn
Der Gerechtigkeitsbrunnen (auch: Sinnbrunnen) in Solothurn wurde 1561 von Laurent Perroud nach dem Vorbild des Berner Gerichtigkeitsbrunnens geschaffen, der Trog stammt aus dem Jahr 1789.
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Winterthur
Die ursprüngliche Brunnenfigur stammt aus dem Jahr 1537, die Kopie von Peter Moser aus dem Jahr 1791, die erneute Kopie von Fritz Liechti aus dem Jahr 1931. Im Jahr 1683 wurde ein Eisen angebracht, an welchem die Mägde zur Strafe angebunden wurden, wenn sie den Brunnen verschmutzten. Der Trog aus hartem Kalkstein trägt das Datum 1748.
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Weitere (nicht mehr vorhanden)
- Liestal: Der ehemalige Spitalbrunnen mit Justitiafigur (von ca. 1600) wurde 1955 durch einen neuen Brunnen, den Schlangenbrunnen (Symbol der Ärzteschaft; gestaltet durch Fritz Bürgin), ersetzt, die Justitifigur in die Gebäudefassade integriert.
- Luzern: Gemäss Stadtplan von Martini (1597) gab es in der Äussern Weggisgasse (Hertensteinstrasse) offenbar auch hier einmal einen Gerechtigkeitsbrunnen. Heute steht an dieser Stelle ein moderner Brunnen mit Einhornfigur.
Ausschnitt aus dem Stadplan: